Umfrage bei PR-Profis zur Wichtigkeit gender-gerechter Sprache
Im Februar 2020 haben die Agenturen News Aktuell und Faktenkontor eine Umfrage bei Deutschen und Schweizer Pressestellen sowie PR-Agenturen gemacht [Quelle: News Aktuell Trendreport und wichtigste Resultate siehe unten]. Sie wollten herausfinden, welche Einstellung die Unternehmen bezüglich der sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter haben. Nutzen sie Ausdrücke, die Frauen wie auch Männer ansprechen, wenn sie Texte für ihre Agenturen oder die Kundschaft schreiben? Würde eine PR-Agentur in einem Direct Mailing als Ansprache nur «Liebe Kunden» schreiben und damit auch die weibliche Kundschaft als eingeschlossen betrachten? Oder würden sie gendern und auf «Liebe Kundinnen und Kunden» setzen?
Gendern: Wenig genutzt in Deutschland, merkliches Bewusstsein in der Schweiz
In der Schweiz gab die Mehrheit der befragten Unternehmen an, dass sie in ihrer Ausdrucksweise auf sprachliche Gleichstellung achten: 70 % der Agenturen verwenden eine genderneutrale Sprache (genderneutral sind Nomen wie "Mitarbeitende", "Studierende") und 60 % schreiben jeweils die männliche und die weibliche Form (Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Studenten und Studentinnen). [Quelle].
In Deutschland unterscheiden sich diese Zahlen deutlich [Quelle]. Nur 45 % der Befragten empfinden die sprachliche Gleichstellung in ihrer Schreibweise als eher wichtig (29 %) oder sehr wichtig (16 %). Die Mehrheit (55 %) der Deutschen Unternehmen bewertet Gendern als eher unwichtig oder völlig unwichtig.
Bei denjenigen Unternehmen, die gendern, ist die genderneutrale Sprache ebenfalls am beliebtesten; knapp gefolgt vom Ausschreiben beider Formen.
Die Formulierung mit Sternchen (Mitarbeiter*innen, Student*innen), welche auch non-binäre Menschen inkludiert, wird in der Schweiz und in Deutschland leider noch kaum genutzt.
Sprache schliesst Menschen ein oder aus
Obwohl es in der Schweiz etwas positiver aussieht, ist es erschreckend, dass sich 30 % nicht um eine Sprache bemühen, die beide Geschlechter gleichermassen anspricht.
Sprache hat eine direkte Wirkung auf die Zielgruppe - die Wortwahl entscheidet, ob sie sich von einer Werbung, einem Direct Mailing oder einer Rede angesprochen fühlt.
Drehen wir in zwei kurzen Versuchen den Sprachgebrauch mal um. Damit wir alle besser verstehen, was das Problem ist:
- Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Mann und sind an einer Konferenz. Das Organisationsteam eröffnet den Event nur mit der Ansage: «Sehr geehrte Teilnehmerinnen». Würden Sie sich als Mann dann angesprochen fühlen?
- Sie erhalten als Mann einen Brief von Ihrem Regionalspital und lesen:
«Liebe Patientinnen, bitte füllen Sie den folgenden Fragebogen aus. Wir möchten von unseren Kundinnen erfahren, wie es Ihnen in der Coronazeit geht, um Sie richtig zu unterstützen.» Hätten Sie als Mann nicht den Eindruck, es läge ein Fehler vor, dass Sie diesen Brief in dieser Form erhalten haben?
Dasselbe passiert Frauen tagtäglich. Solche rein männlichen Ansprachen hören und lesen sie oft. Da ich natürlich darauf sensibilisiert bin, fällt es mir schnell auf. Vielen Frauen fällt es aber nur selten auf und den meisten Männern gar nicht. Wieso? Weil wir es uns so gewohnt sind.
Obwohl Frauen es sich gewohnt sind, fühlen sie sich ausgeschlossen
Aber auch wenn wir es gewohnt sind und wir in der Schule gelernt haben, dass die männliche Form linguistisch gesehen auch die Frauen miteinbeziehen sollte, macht es etwas mit uns. Unbewusst merken wir, ob wir angesprochen werden oder nicht. Unbewusst fühlen wir uns in die Gruppe einbezogen oder ausgegrenzt.
Welche Sprache Unternehmen und PR-Agenturen nutzen, hat einen direkten Einfluss darauf, ob sich Frauen zugehörig fühlen und ob sie sich entsprechend für die Botschaft interessieren.
Inklusive Sprache beeinflusst das Arbeitsumfeld und die Leistung
Dasselbe Prinzip gilt auch im Arbeitsumfeld. Welche Sprache Sie selbst an Ihrem Arbeitsplatz nutzen, hat einen direkten Einfluss auf das Zugehörigkeitsgefühl der Anwesenden. Je zugehöriger sich Menschen fühlen, umso eher werden sich auch einbringen und sind motiviert mitzugestalten.
Sprache hat also unheimliches Potenzial, das Arbeitsumfeld positiv zu beeinflussen. Auch, ob sich Frauen zugehörig fühlen und sich entfalten können.
Gender-Neutralität alleine reicht nicht
Genderneutrale Formulierungen bei Nomen sind ein erster wichtiger Schritt. Aber sie reichen bei Weitem nicht, um ein inklusives Umfeld zu kreieren. Die Feinheiten der Sprache bieten noch viel mehr Möglichkeit, um Wirkung zu erzielen.
Aus Studien wissen wir, dass es noch viele andere Ausdrucksweisen gibt, welche Männer und Frauen unterschiedlich interpretieren.
Zwei Beispiele:
- Kooperativ statt kompetitiv:
Wenn Vorgesetzte (egal ob Mann oder Frau) ständig betonen, dass man im Unternehmen leistungsorientiert ist und anspruchsvolle Probleme lösen muss, dann schreckt das unbewusst die Mehrzahl der Frauen ab. Es handelt sich um kompetitive Sprache, die auf Frauen abschreckend wirkt. Dies aufgrund ihrer Sozialisierung hin zu Kooperation. - Männlich und weiblich besetzte Themen:
Sprechen Arbeitskollegen beim Mittagessen regelmässig über die aktuellen Fussballresultate, dann wirkt das für anwesende Frauen ausschliessend. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt viele Frauen, die an diesen Themen sehr interessiert sind und durchaus mitreden können. Aber: Diese Themen sind aus sozialer Sicht männlich besetzt. Wenn sich eine Frau in der Gruppe bei diesen Themen einbringen will, muss sie zuerst die soziale Regel durchbrechen. Und dies wird von einer männlichen Gruppe oft als störend empfunden. Unbewusst, weil die Frau eben gegen diese ungeschriebenen sozialen Regeln verstösst. Das Gefühl von «Du störst» wiederum, wird von der Frau bemerkt, in vielen Fällen ebenfalls nicht explizit. Es bleibt einfach ein ungutes Gefühl. Die Frau wird sich mittel- bis langfristig bei solchen Diskussionen raushalten, da es zu schwierig ist, den sozialen Status Quo zu brechen.
Übrigens gilt dies auch durchaus umgekehrt. Frauen, die über Kindererziehung sprechen, haben oft dieselbe Reaktion und Wirkung auf Männer, die dazukommen und mitreden.
Bei diesen sprachlichen Themen ist es wichtig, zu verstehen: Eindrücke und Gefühle, die aufgrund eines gewissen Sprachgebrauchs entstehen, formen sich unbewusst. So würde wohl eine Gruppe von Frauen nie bewusst zugeben, sie wolle einen Mann bei der Diskussion über Kindererziehung ausschliessen. Oder der Vorgesetzte würde es sofort bejahen, dass Kooperation unter den Mitarbeitenden mehr erwünscht ist als kompetitives Verhalten.
Werden Sie in Ihrem Sprachgebrauch inklusiv
Den eigenen Sprachgebrauch zu verändern, ist herausfordernd. Schliesslich hat sich unser persönlicher Stil über viele Jahre geformt. Wir nehmen Ausdrucksformen unbewusst auf und sie sind durch unsere Familien, Freunde und Kultur geprägt.
Aber Studien geben uns wertvolle Indizien, auf was wir achten müssen. Um diese Überlegungen im Alltag schnell und konsistent einzubringen, hat Witty Works einen ersten Schritt gemacht.
Anhand eines Algorithmus von Witty wird die Wortwahl in Stellenanzeigen automatisch untersucht, um sie möglichst inklusiv zu machen.
Sie können direkt selbst mit sich und Ihrem Team beginnen: Lassen Sie Frauen und Männer in Ihrem Team Ihren Sprachstil beurteilen. Erfahren Sie, was abschreckt und welche Wörter und Formulierungen Sie stattdessen verwenden können. Und versuchen Sie dann, Ihren eigenen Sprachgebrauch anzupassen, um inklusiver zu werden.
Wenn Sie eine inklusive Sprache nutzen, werden Sie die Zufriedenheit bei allen Mitarbeitenden steigern, da es allgemein eine angenehmere Sprache ist. Sie werden aber auch eine Steigerung der Motivation bei Frauen bemerken, da sich diese stärker angesprochen und zugehöriger fühlen.
Sind Sie auf der Suche nach einem digitalen Schreibassistenten für inklusive Sprache? Dann probieren Sie Witty kostenlos aus. Witty erkennt nicht inklusive Sprache und bietet fortlaufende Schulungen zu unbewusster Voreingenommenheit und Operationalisierung von Inklusion.
---
Resultate der Studie bzgl. Typ der verwendeten gender-gerechten Form:
Mehrfachnennung war möglich.
Schweiz (Quelle):
Deutschland [Quelle]: